Entwicklungen zum Begriff der Klimaneutralität

I. Aktuelle Entwicklungen zum Begriff der „Klimaneutralität“ Die Werbung mit dem Begriff der Klimaneutralität ist derzeit medial, gerichtlich und politisch stark im Fokus. Kritisiert werden unterschiedliche Aspekte. Zum einen mahnt die Deutsche Umwelthilfe in insgesamt 23 Fällen Unternehmen ab, dass es sich bei deren Werbeaussagen um unlautere Praktiken handele, die nicht erkenntlich machten, wie die Klimaneutralität der Produkte erlangt wurde. Neben der Transparenz über die Neutralstellung seien auch die Offenlegung der Berechnungsmethode und des Bilanzrahmens sowie die Wahl der Ausgleichsprojekte für die bilanzielle Neutralstellung der CO 2 -Emissionen durch die Unternehmen bereitzustellen und sensibel auszuwählen. Von den abgemahnten Fällen wurden bisher zwei auf Ebene der Landgerichte zulasten der Unternehmen entschieden, in 10 Fällen wurde eine strafbewehrte Unterlassungserklärung erreicht und 11 sind laufend bzw. gerichtsanhängig.

Die Kritikpunkte der Deutschen Umwelthilfe, aber auch anderer Umwelt- und Verbraucherorganisationen, sind u. a.:

Die Maßnahmen, die Unternehmen unternommen haben, um ihre Emissionen zu reduzieren, werden nicht explizit aus dem Label ersichtlich. Dabei ist nicht klar, inwiefern sich die absoluten mit dem Produkt verbundenen Emissionen reduziert haben oder primär die Kompensation genutzt wurde um die Emissionen auszugleichen und im schlechtesten Fall die Gesamtemissionen sogar weiterhin ansteigen. Kompensationsprojekte, insbesondere Aufforstungs- und Waldschutzprojekte, können oft nicht halten was sie versprechen. In einigen Fällen kann nicht garantiert werden, dass die verursachten Emissionen tatsächlich vollständig ausgeglichen werden. Es existiert für CO 2 -Label kein gesetzlich geregelter Mindeststandard. Die vergebenen Siegel sind daher nicht verlässlich und auch die Grundlagen für die Berechnungen der Emissionen sind nicht einheitlich. Mangels einer Definition was unter „klimaneutral“ genau zu verstehen ist, lässt sich derzeit keine pauschale Regelung ableiten. Die aktuelle Rechtsprechung zu „Green Claims“ bezieht sich vor allem auf den Begriff der „Klimaneutralität“, für den „wesentliche Informationen“ bereitgestellt werden sollen, über die Unternehmer ihre Verbraucher im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb aufklären müssen. Obwohl es noch keine einheitlichen Maßstäbe gibt, lassen sich folgende Aufklärungspflichten für werbende Unternehmen aus der aktuellen – noch nicht höchstrichterlich entschiedenen – Rechtsprechung ableiten:

Information darüber, ob Klimaneutralität über eigene Unternehmenseinsparungen oder externe Aktivitäten erreicht wird; Information darüber, ob und wenn ja welche Emissionen von der Bilanz ausgenommen werden; Information darüber, ob sich die Aussage über Klimaneutralität auf das jeweilige Produkt oder das Unternehmen selber bezieht; Anzeigen für Produkte sowie die Produkte selber müssen Hinweise darüber enthalten, wo die Informationen über den Begriff der Klimaneutralität zu finden sind, Bsp.: Website, QR-Code; Die Internetseite muss Angaben zu den lebenszyklusbezogenen Quellen der einbezogenen Emissionen enthalten. Die Internetseite muss Angaben zu den Prüfkriterien des von dem externen Partner verliehenen Siegels enthalten. Bewertung bvdm Generell sollten Unternehmen der Druckindustrie bei der Verwendung von Begriffen wie „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ darauf achten, dass sie die damit verbundenen Umweltaussagen auch detailliert belegen können. Entsprechende Informationen sollten jeweils über eine Internetseite verfügbar sein, die im Zusammenhang mit der Werbeaussage angegeben wird. So enthält beispielsweise das Logo „klimaneutral gedruckt durch CO 2 -Kompensation“ der Klimainitiative des bvdm stets den Hinweis auf die Internetseite www.klima-druck.de , die ausführliche Informationen bereithält.

Der bvdm gibt Anhaltspunkte für Druckereien, die ihre produktspezifischen CO 2 -Emissionen berechnen lassen und ihren Kunden ein Label zur Kennzeichnung von klimaneutralen Produkten anbieten, bei der Werbung mit diesen auf folgende Qualitätsaspekte zu achten:

Zusammenarbeit mit einem seriösen Partner; Berechnung der CO 2 -Emissionen mit einer hohen Detailtiefe, die die tatsächlichen wesentlichen Emissionen, die mit dem Produkt verbunden sind, berücksichtigen; Nachvollziehbare Darstellung der Berechnungskriterien (Standard und Geltungsbereich); Ausweisung der Emissionen, die nicht in die Berechnung einfließen; Unternehmensinterne Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen ergreifen; Über einen Link auf eine entsprechende Internetseite weiterführende Informationen bereitstellen, wie die Klimaneutralität erreicht wurde. Weiterführende Informationen zur Kompensation und zur Auswahl geeigneter Klimaschutzprojekte bietet auch eine Broschüre des Umweltbundesamtes .

II. Die Klimainitiative der Druck- und Medienverbände bietet höchste Standards für die Klimastrategie der Unternehmen Die Klimainitiative der Verbände Druck und Medien gehört zu den bekanntesten und renommiertesten Anbietern für Druckereien und Verlage, wenn es darum geht, CO 2 -Emissionen im Print- und Verpackungsbereich zu ermitteln und zu reduzieren.

Die Klimainitiative der Druck- und Medienverbände hat schon immer nach den höchsten Standards der Erfassung von Emissionen gearbeitet: dabei wird die Reduktion von Emissionen gefördert und die verbleibenden Emissionen durch Projekte ausgeglichen, die mit dem Gold Standard, dem höchsten Standard für Klimaschutzprojekte, zertifiziert sind.

Die erforderlichen Informationen lassen sich anhand der Trackingnummer auf dem Label direkt im Internet nachlesen.

Obwohl derzeit keine Klagen gegenüber Teilnehmern der Klimainitiative der Druck- und Medienverbände vorliegen, beobachten die Verbände Druck und Medien das Thema Klimaneutralität sehr genau. Seitens der Verbraucher werden zunehmend dezidierte Informationen dazu erwartet, wie die Klimaneutralität hergestellt wurde. Dies erfordert seitens der Unternehmen eine sorgfältige Darstellung darüber, wie kompensiert wird.

Ferner gibt es aktuell Bestrebungen, Umweltaussagen von Unternehmen grundsätzlich gesetzlich zu regeln. So hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zu Umweltaussagen („Green Claims“) vorgelegt, nach der Begriffe, die im Zusammenhang mit grünen Aussagen stehen, an definierte Vorgaben geknüpft werden sollen.

Die genannten Punkte führen dazu, dass der bvdm das Thema sehr umsichtig beobachtet und prüft. Um Druckprodukte möglichst transparent zu kennzeichnen, hat der bvdm sich entschieden, das CO 2 -Logo der Klimainitiative der Druck- und Medienverbände anzupassen und auf die Verknüpfung zur CO 2 -Kompensation deutlich hinzuweisen. Aus „klimaneutral gedruckt“ wird „ klimaneutral gedruckt durch CO 2 -Kompensation “.

Im Zuge der Modifizierung des Logos erfolgt auch eine optische Anpassung des Designs, die seinen hohen Wiedererkennungswert zum bestehenden Logo bewahrt und sich zugleich an dem neuen CI der Verbände Druck und Medien orientiert.

III. Entwicklungen auf Europäischer Ebene Aufgrund des Fehlens einer Legaldefinition des Begriffes zur Klimaneutralität sieht sich die EU-Kommission in der Verantwortung hier Rechtssicherheit zu schaffen. Dafür hat die EU-Kommission am 22. März 2023 einen Entwurf einer Richtlinie über gemeinsame Kriterien gegen Grünfärberei und irreführende Umweltaussagen vorgelegt – die aus der sog. Green Claims Initiative hervorgeht. Diese enthält folgende Kernpunkte:

Nach dem Kommissionsvorschlag müssen Unternehmen bei Umweltaussagen (Green Claims) über ihre Produkte oder Dienstleistungen Mindeststandards einhalten. Bevor sie eine Umweltaussage in ihre Verbraucherinformationen aufnehmen, müssen diese anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt werden. Mit Ausnahme von Kleinstunternehmen (unter 10 Mitarbeitenden und 2 Mio. Euro Umsatz oder Bilanzsumme) müssen Händler diese Angaben zudem von einer akkreditierten Organisation überprüfen lassen. Es werden zudem keine Werbeaussagen oder Zeichen mehr gestattet sein, bei denen die gesamten Umweltauswirkungen des Produkts pauschal bewertet werden, außer dies ist nach EU-Vorschriften explizit so vorgesehen. Der Vorschlag sieht auch eine Regelung für Umweltzeichen vor. Derzeit gibt es nach Kommissionsangaben mindestens 230 verschiedene Zeichen. Künftig sollen neue öffentliche Kennzeichnungssysteme nur dann zulässig sein, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt werden. Neue private Systeme müssten vorab genehmigt werden und nachweisen, dass ihre Umweltziele ehrgeiziger sind als die von bestehenden Systemen.

Bewertung des bvdm Aus Sicht des bvdm baut die geplante Richtlinie eine neue finanzielle und bürokratische Hürde insbesondere für KMU auf, indem sie Zertifizierungen für nachhaltige Aussagen zur Pflicht macht. Damit droht insbesondere kleinen Betrieben ein Wettbewerbsnachteil, wenn sie sich den Aufwand und die Kosten einer Zertifizierung nach beispielsweise EU Ecolabel nicht leisten können. Aus diesem Grund hat der bvdm die in der Anlage 1 beigefügte Stellungnahme abgegeben. Der Vorschlag wird nun im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens im Europäischen Parlament und im Rat behandelt.

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